Gastbeitrag: Die unstillbare Sehnsucht nach Ruhe

Ich bin dann mal (für immer) weg…
Suizid – der finale Ausweg bei Jugendlichen

Von Frank Oleschko Gepr. u. Zert. Psych. Berater (VFP), Inhaber von Seelenknoten Patensen

Suizid, Selbstmord, sich „weg-machen“, freiwillig den Löffel abgeben… All diese Synonyme beschreiben nicht annähernd das, was in den Gefühlswelten von jungen Menschen vorgeht, die unter starken depressiven Episoden leiden und ihre Probleme als große, undurchdringbare Wand erleben, in der es keine Tür und keinen Ausweg mehr für sie gibt.

Das Unverständnis für den allerletzten Schritt sich seinen Problemen zu entziehen, liegt in der Natur durch die Bewertung der Öffentlichkeit. Die Krankheit Depression bekommt immer dann die allgemeine Aufmerksamkeit, wenn sie in die Mitte der Gesellschaft durch prominente Suizide (Robert Enke, Gunther Sachs u.v.a.) gerückt wird. Was geht nur in solchen Menschen vor, die alles haben? Was passiert in der Gedanken– und Gefühlswelt von jungen Frauen, die noch ihr ganzes Leben angefüllt mit Glück, Liebe und Zukunft vor sich haben? Die Ratlosigkeit bleibt oft als letzter Gruß und Gedanke bei den Angehörigen und Freunden übrig.

So gut wie jeder Mensch mit schweren depressiven Episoden hat im Verlauf seiner Krankheit über Suizid nachgedacht. Aus diesem Grund taucht die Frage danach immer wieder bei psychologischen Testungen auf.

Ein paar Zahlen: In den Jahren 2013—2015 starben in der Altersgruppe 0-25 Jahren 1597 Jugendliche (Quelle: Statistisches Bundesamt) durch Selbstmord und Folgen von Selbstbeschädigungen. Gott sei Dank lässt sich kein Trend von dramatischen Ansteigen erkennen. Mit ca. 600 Suizide pro Jahr bleiben die Zahlen relativ konstant. Interessant ist, dass entgegen der allgemeinen Meinung der Anteil von männlichen Selbsttötungen 3 x so hoch* ist wie bei weiblichen Jugendlichen, unter homosexuellen Jugendlichen nochmal höher.

Das sind die Fakten. Wie bei jeder Statistik, sind auch diese Werte in Relation zu sehen. Ich sehe die Entwicklung nicht als beruhigend an, denn die Vorstufen bis zur finalen Selbsttötung ist die große Grauzone.

Warum versuchen sich gerade junge Madchen und Frauen das Leben zu nehmen?

Das die Zahlen für den vollendeten Suizid im ersten Augenschein über die Beobachtung der letzten Jahre konstant bleibt, ist meiner Meinung nach nicht als positive Entwicklung zu deuten.

Hierfür möchte ich ein paar Argumente anführen.

  1. In der Statistik erscheinen nur Todesfälle die klar als Suizide ermittelt wurden.
  2. Kfz-Unfälle mit (angenommener) Tötungsabsicht erscheinen nicht in der Statistik.
  3. In manchen Gegenden Deutschlands werden auch heute noch, bedingt durch die Tabuisierung von der Krankheit Depression, Suizide nicht als solche angegeben sondern gelten als „ungeklärte Todesfälle“.
  4. In keiner einzigen verwertbaren Statistik werden die Suizidversuche ohne nalen Ausgang erfasst und angegeben.

Und genau hier ist liegt das Problem. Der Anteil von jungen Mädchen und Frauen (0-25 Jahre) bei den Suizidversuchen liegt im Umkehrverhältnis im Vergleich zu männlichen Jugendlichen. Lt. Befragung von rund 100 Psychotherapeuten, ist der Anteil von weiblichen Pa enten bei den Jugendlichen, die schon einen Suizidversuch hinter sich haben, bei ca. 70%.

Für mich gilt auch die Vorstufe der Selbstverletzung wie das sogenannte „Ritzen“ und artverwandte an sich selbst verübten körperlichen Beschädigungen als Frühwarnsystem für entsprechend au ommende Gedanken und Gefühle sich von sich selbst immer mehr zu en ernen. Die Gründe hierfür sind vielfäl g. Es ist nicht immer das typische Aufmerksamkeitssyndrom (Hilferuf), sondern o mals die einzige Möglich- keit der jungen Frauen irgendwie mal wieder Kontakt zu sich selbst aufzunehmen, sich endlich mal wie- der zu spüren. Und sei es durch spürbaren Schmerz.

Hier muss bei Eltern, Freunden und Umfeld viel mehr Empathie und Aufmerksamkeit gezeigt werden. Solche Vorzeichen nicht einfach als „ist ja nur eine Phase“ bagatellisiert werden. Es gibt mi lerweile Hilfsangebote, gerade für junge Frauen, von carita ven und selbstverwalteten Einrichtungen sowie psy- chologische Beratungseinrichtungen.

Link zum Seelenknoten in Patensen